FTS steigern Flexibilität und Wirtschaftlichkeit

FTS auf der Überholspur

10.05.2021

FTS steigern die Flexibilität und Wirtschaftlichkeit

Bei Plattform-FTF ist auch ein Mitfahren auf dem Fahrzeug im Fließbetrieb mög-lich. (© Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Bei Plattform-FTF ist auch ein Mitfahren auf dem Fahrzeug im Fließbetrieb möglich. (© Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Die Fertigung von Premium-Fahrzeugen ist deutlich wirtschaftlicher, wenn die bisher dominierenden starren Fertigungsstraßen durch Fahrerlose Transportsysteme (FTS) ersetzt werden. Nach einer aktuellen Studie kann sich für den Autohersteller die Investition in FTS schon nach rund einem Jahr amortisieren.

„At the end of the line“ ist der Titel der Studie, die vom Fraunhofer IOSB und der Managementberatung Strategy+ erstellt wurde (Anm.). Eine Kernthese: Wenn hochwertige, individualisierte Fahrzeuge gefertigt werden, sind FTS deutlich günstiger als stationäre Förder- und Produktionstechnik.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. FTS bieten eine deutlich höhere Flexibilität sowohl in der täglichen Produktion als auch bei Modellwechseln. Im Tagesgeschäft ermöglichen sie die wirtschaftliche Fertigung von individualisierten Fahrzeugen. Die Taktrate lässt sich anpassen, außerdem können einzelne Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) „ausscheren“, damit an Einzelstationen Sonderausstattungen montiert werden. Allein diese Flexibilisierung bringt schon so große Kostenvorteile, dass sich die Investition in dieses Konzept in einem sehr überschaubaren Zeitraum von etwa einem Jahr amortisieren kann.

Dabei ist die Flexibilität bei Modellwechseln noch gar nicht berücksichtigt: Es müssen nicht – wie bisher – komplette Fertigungslinien demontiert und durch neue ersetzt werden. Die Aufnahmen vorhandener FTS werden ganz einfach versetzt und die Routen und Taktzeiten neu programmiert. Dieser Vorteil gilt für die „Vision E“-FTF von dpm Daum + Partner, die speziell für die Endmontage in der Kfz-Produktion entwickelt wurde: Die gesamte „Hardware“ kann weiterhin verwendet werden, wenn ein neues Fahrzeugmodell produziert wird.

Führende Automobilhersteller machen es vor

Mehrere Automobilhersteller haben diese Vorteile nicht nur erkannt, sondern in ihren Modellfabriken auch schon praktisch umgesetzt. Eines der aktuell modernsten und innovativsten Beispiele für die Autoproduktion ist die Factory 56 von Mercedes-Benz in Sindelfingen.

Hier werden unterschiedliche Fahrzeuge auf der gleichen Linie produziert. In ausgewählten Bereichen übernehmen Fahrerlose Transportsysteme (FTS) von dpm Daum + Partner den Materialfluss. Beim Karosserietransport in einigen Bereichen der Halle kommen „Vision E- FTF von dpm zum Einsatz.

Taycan-Fertigung: Zwei FTS in der Montage

Ein weiteres Beispiel für eine der weltweit modernsten Produktionsstätten von Premium-(Elektro-Fahrzeugen) ist die vollständig neu geplante und gebaute Taycan-Fertigung von Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Zwei Fahrerlose Transportsysteme übernehmen hier zentrale Transportaufgaben in der Endmontage: ein FTS für die Montage der Karosserie, ein weiteres für die Komplettierung des Fahrzeugs nach der „Hochzeit“ der Karosserie mit Chassis und Antriebsstrang (Bilder 3 und 4). Mit dieser sogenannten Flexi-Line setzt Porsche als weltweit erster Automobilhersteller fahrerlose Transportsysteme in der Serienproduktion im kontinuierlichen Fluss ein.

FTF-Mischbetrieb mit Fließ- und Taktmontage

Grundsätzlich können die FTF von dpm im Mischbetrieb fahren. Fließ- und Taktmontage erfolgen dann abwechselnd. Beim „Vision E“ sind Montagearbeiten am Fahrzeug auch im Fließbetrieb, d.h. während der Fahrt rund um das FTF, möglich (siehe Bild 3). Dementsprechend lassen sich die Fahrzeuge stets optimal an die Anforderungen des jeweiligen Streckenabschnitts anpassen: Sie fahren langsam im Fluss, halten für bestimmte Montagezwecke an und auf Schnellfahrwegen beschleunigen sie.

Die zu montierenden Fahrzeuge sind sowohl bei den Vormontage-FTF als auch beim Karosserietransport von allen Seiten gut zugänglich. FTF für Montagearbeiten am Komplettfahrzeug können auch als Plattformfahrzeuge ausgeführt werden, auf denen die Werker mitfahren.

Die Fahrgeschwindigkeit der FTS lässt sich dabei an den jeweiligen Betriebsmodus anpassen. Die Vision E-FTS, die bis zu drei Tonnen schwere Lasten transportieren, verfahren im Montageprozess mit typischen Geschwindigkeiten von 0,7 bis 20 m/min. Bei Bedarf können sie aber auch ein Tempo von bis zu 90 m/min bzw. 1,5 m/s erreichen.

Die aktuelle Position der FTF wird anhand von DMC-Codes und der Fahrzeuggeschwindigkeit vom Leitsystem errechnet, das entsprechende Befehle an die FTF ausgibt. Sicherheits-Laserscanner, die das Umfeld abtasten, gewährleisten die Personensicherheit. Das Laden der Batterien erfolgt während der Ruhe- bzw. Montagezeiten über Kontaktplatten am Boden.

FTS auch bei der Modulfertigung und Vormontage

Der Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen sorgt nicht nur in der (End-)Montage kompletter Fahrzeuge für höhere Flexibilität und Effizienz. Auch in der PKW-Vormontage übernehmen FTS zunehmend den Transport von größeren Baugruppen – zum Beispiel von Integralträgern oder Motoren. Die FTF können hier mit speziell dafür angefertigten dreh- oder höhenverstellbaren Werkstückträgern ausgestattet werden, die eine ergonomische Montage von Anbauteilen erlauben. Und sie können sogar stockwerkübergreifend arbeiten: In einem aktuellen Projekt hat dpm rund 70 FTF für die Motorenmontage projektiert und geliefert. Der Fertigungsdurchlauf findet auf drei Ebenen statt, die Fahrzeuge orientieren sich mittels Slam-Navigation und werden mit einem speziellen Aufzug von Etage zu Etage befördert.

Und in Zukunft?

Die hier beschriebenen FTS-Anwendungen werden sich in den kommenden Jahren noch weiter flexibilisieren lassen – zum Beispiel durch FTS-Flotten, die sich weitgehend selbst organisieren. Insbesondere bei höherwertigen Fahrzeugen wird der Individualisierungsgrad noch steigen. Und hier, so die Studie von Strategy& und Fraunhofer IOSB, ist die FTS-gestützte Montage im Vergleich zur starren Fertigung einfach das bessere, weil flexiblere und  deutlich wirtschaftlichere, Konzept.

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Literaturhinweis

„At the end of the line – How automakers can embrace flexible production“. Studie von Strategy& und dem Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). Februar 2020

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